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Digitaler Euro: Fluch oder Segen im Bankenwesen?

Wo steht der digitale Euro? Welche Rolle sollen Intermediäre bei der Umsetzung spielen? Und mit welchen Auswirkungen müssen Banken rechnen?  

Was ist der digitale Euro? 

Der digitale Euro wäre eine elektronische Form des Euros – also eine digitale Währung, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgegeben und von allen Bürger:innen neben bestehenden Zahlungsmitteln wie Bargeld genutzt werden soll.

Zur Aufbewahrung soll es ein digitales Euro-Wallet geben, das von der EZB verwaltet wird, während die Banken die Kommunikation mit den Kund:innen übernehmen. Aktuell wird noch diskutiert, das Guthaben im Wallet auf 3.000 Euro zu limitieren.

Wo steht der digitale Euro aktuell?  

Im Oktober 2021 ging das Projekt „Digitaler Euro“ mit einer zweijährigen Untersuchungsphase an den Start. Nach einem ersten Konzept beschloss der EZB-Rat Mitte Oktober 2023, die Vorbereitungsphase einzuleiten, die nochmal zwei Jahre dauern und den Grundstein für den digitalen Euro legen soll. Während dieser Phase erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit den Banken, da ihre Akzeptanz und aktive Beteiligung entscheidend für den potenziellen Erfolg einer Implementierung sind.

Dann wird der EZB-Rat entscheiden, ob der elektronische Euro überhaupt als gesetzliches Zahlungsmittel in Frage kommt und den Weg für die Emission ebnen – oder eben nicht. Die Implementierung würde dann schrittweise erfolgen, was die Flexibilität maximieren und Risiken minimieren soll.

Voraussichtlich in vier bis fünf Jahren (ab 2028) könnte eine erste Version des elektronischen Euros eingeführt werden, die Zahlungen von Person zu Person und Online-Zahlungen unterstützt. In einem zweiten Schritt könnte die Funktionalität um Zahlungen an der Ladenkasse erweitert werden.

Welche Auswirkungen erwarten die Banken?  

3.000 Euro Zentralbankgeld gefährden die Profitabilität 

Banken befürchten, dass die Bereitstellung des digitalen Zentralbankgelds in Höhe von bis zu 3.000 Euro die eigene Profitabilität beeinträchtigt. Denn die Einlagen der Kund:innen könnten zur EZB verlagert werden, was negative Auswirkungen auf das Geschäftsmodell der Banken hätte, insbesondere bei kleineren Instituten.

Schwindende Erträge im Zahlungsverkehr 

Digitale Währungen ermöglichen in der Regel schnellere und günstigere Transaktionen, was den Bedarf an herkömmlichen Zahlungsservices (z. B. über Kreditkarten) und damit die Erträge der Banken verringern könnte.  

Bargeldlogistik verliert weiter an Bedeutung 

Wird der digitale Euro eingeführt, könnte das einen Rückgang in der Bargeldlogistik verursachen, was die Unternehmen treffen würde, die sich um den Transport, die Sicherheit und Bargeldverwaltung kümmern. Banken würden hingegen vom verringerten Aufwand profitieren. 

Verschlankung des Filialnetzwerks 

Der Übergang zu digitalen Währungen könnte die Reduzierung und Umstrukturierung von Bankfilialen weiter verschärfen, da diese weniger für alltägliche Transaktionen benötigt werden. Der Fokus würde wohl auf Beratungsdienstleistungen und andere nicht digitale Finanzprodukte shiften.

Welche Aufgaben müssten Banken als Intermediäre übernehmen?  

Wie bei Kryptowährungen soll es auch für den elektronischen Euro eine Wallet als digitales Portemonnaie geben, das von der EZB verwaltet wird. Alles weitere wird zwischen Endkund:innen und EZB von den Banken zu handhaben sein, was eine hohe Verantwortung in den folgenden drei Bereichen mit sich bringt.

User Management:  

  • Banken müssten eine zentrale Rolle bei der Einrichtung und Verwaltung der Nutzendenkonten spielen.

  • Sie müssten Prozesse für das Onboarding und Offboarding der Nutzer:innen entwickeln, inklusive KYC-Prüfungen (Know-Your-Customer) für die Compliance und Betrugsprävention.

  • Um die Usability, Sicherheit und Zugänglichkeit zu gewährleisten, müssten die Benutzendenoberfläche und das -erlebnis (UI/UX) für digitale Euro-Wallets und zugehörige Services entwickelt werden.

  • Zur Verbindung von traditionellen Bankkonten mit digitalen Euro-Wallets bräuchte es sichere Übertragungssysteme.

 Liquidity Management 

  • Banken müssten genügend Liquidität vorhalten, um Abhebungen von digitalen Euro-Wallets zu kompensieren und einen Bankrun zu verhindern. 

  • Das Treasury- und Risikomanagement müsste die neuen Risikofaktoren berücksichtigen, was angepasste Strategien nötig macht. 

Transaction Management: 

  • Die Authentifizierung und Bestätigung von Transaktionen würden weiterhin eine wichtige Rolle für Banken spielen. 

  • Um das Vertrauen der Nutzer:innen zu erhalten, müssten Transaktionen mit dem digitalen Euro schnell und sicher authentifiziert werden. 

  • Gegenüber traditionelleren Instituten könnten Digitalbanken hier einen Vorteil ausspielen, da sie bereits auf digitale Prozesse ausgerichtet sind. 

Welches Ziel verfolgt die EU?

Das Ziel der EU ist es, unabhängiger von dominierenden US-amerikanischen oder asiatischen Zahlungsanbietern wie WeChat Pay, Apple Pay, PayPal & Co. zu werden. Der digitale Euro würde die Verhandlungsmacht der Intermediäre stärken und dazu beitragen, anfallende Kosten zu begrenzen. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Implementierung weiter verfolgt wird.  

Dabei handelt es sich auch um ein politisches Thema: Mit dem digitalen Euro könnten Anbieter wie PayPal und VISA/Mastercard durch die EU „sanktioniert“ werden, sodass deren Kosten steigen und der kostenlose digitale Euro sich umso mehr lohnt.  

Warum sollten Banken eine digitale Währung einführen?  

Weil es um die Bindung ans eigene Ökosystem geht: Ein digitaler Euro würde den Banken eine Plattform zur Verfügung stellen, um Kund:innen in ganz Europa innovative und grenzüberschreitende Zahlungs- und Finanzdienstleistungen anzubieten. Damit würde er auch weitere Innovationen und den Wettbewerb im Onlinehandel und beim digitalen Zahlungsverkehr fördern. 

Zusätzlich stellt der digitale Euro für Intermediäre ähnliche ökonomische Anreize bereit wie andere digitale Zahlungsmethoden, insbesondere durch die Ausgleichszahlungen, die aktuell im Rahmen des Gesetzesentwurfs der Europäischen Kommission vorgesehen sind. 

Werden die digitalen Möglichkeiten unterschätzt?  

Laut einem Interview mit Dr. Joachim Nagel (Präsident der Deutschen Bundesbank) werden die Möglichkeiten des digitalen Euros von den Banken unterschätzt. Unter anderem argumentiert er, dass sich viele Finanzprodukte viel kleinteiliger anbieten lassen würden, als es bislang der Fall ist. Mit einem digitalen Euro solle es auch deutlich schneller möglich sein, in diverse Finanzprodukte einzusteigen.

Wir sehen das anders und glauben nicht, dass dies einen großen Einfluss auf die Akzeptanz des elektronischen Euros hätte. Denn mit dem aktuell geplanten Limit von 3.000 Euro pro Wallet kann man keine allzu großen Erträge erzielen, weshalb es wohl eher nur als digitales Portemonnaie genutzt wird. Ohnehin weichen gerade „junge“ Kleinanleger:innen auf Online-Broker wie Trade Republic aus, die in diesem Bereich bereits etabliert sind.

Werden die Bankkund:innen nicht skeptisch sein?  

In Deutschland wird Bargeld seit jeher als sicheres und anonymes Zahlungsmittel geschätzt. Der digitale Euro hingegen, könnte bei vielen Kund:innen Bedenken hinsichtlich Datenschutz, Privatsphäre und Sicherheit hervorrufen, da digitale Transaktionen in der Regel leichter nachvollziehbar als Bargeldtransaktionen sind.

Die Bedenken sind berechtigt, jedoch würde der digitale Euro ein Höchstmaß an Datenschutz bieten: Die Zentralbanken des Eurosystems würden persönliche Daten weder einsehen noch speichern können.

Und da auch nicht alle Kund:innen technologisch versiert sind oder Zugang zu den notwendigen Geräten und Diensten haben, müssten Banken wohl durch Aufklärungskampagnen dazu beitragen, die Bedenken zu zerstreuen. Dazu kann der digitale Euro auch nur an Akzeptanz gewinnen, wenn Transaktionen deutlich günstiger als bei übrigen Bankdienstleistungen ausfallen.

Wie hoch wird der Implementierungsaufwand sein?  

Wir gehen von einem enormen Aufwand und einer komplexen Implementierung für Banken aus, bei der sowohl fachliche als auch technische Expertisen erforderlich sind. Auch glauben wir, dass die Umsetzung zu einem großen Teil nur mit spezialisierten externen Dienstleistern möglich sein wird. Nicht ohne Grund sucht die EZB mit fünf offiziellen Ausschreibungen und einem Budget von 1,2 Mrd. € nach Dienstleistenden aus den Bereichen Informationssicherheit, Risikomanagement und App-Entwicklung, um die Entwicklung eines möglichen digitalen Euros voranzutreiben.

Dabei wird die Umsetzung den Digitalbanken wohl leichter fallen als den traditionellen Instituten. Auch hängt noch viel davon ab, ob die Technologie am Ende von einer zentralen Stelle entwickelt und den Payment Service Providern (PSP) zur Verfügung gestellt wird, oder ob Banken die Wallet und dazugehörige Technologien selbst entwickeln sollen.

Wird es regulatorische Anpassungen geben? 

Ja, definitiv wird es regulatorische Anpassungen geben, die sich vor allem auf den Aspekt der erhöhten IT-Sicherheit im Umgang mit dem digitalen Euro beziehen. Konkret entwickelt die EU bereits einen Rechtsrahmen, dessen Gesetzesentwurf der EU-Kommission am 28. Juni 2023 vorgelegt wurde. Dazu werden bestehende Regularien ergänzt und kommende – wie etwa DORA (Digital Operational Resilience Act) – den digitalen Euro mit seinen Anforderungen abbilden müssen.

Auch gehen wir davon aus, dass Banken erhebliche Anpassungen an ihren schriftlich fixierten Ordnungen (sfO) vornehmen müssen – vor allem, was die technischen Aspekte betrifft. Aber ganz gleich, ob Regularien oder sfO – letztendlich kommt es darauf an, was die EZB bzw. die EU vorgibt und was man wie in nationale Vorschriften umsetzen muss. 

Wird der digitale Euro seine Ziele erreichen?  

Gut möglich, denn die digitale Währung könnte die strategische Unabhängigkeit der EU stärken und gleichzeitig die wichtige geopolitische Position des Zahlungssystems erhalten. Die Banken könnten unabhängiger von den dominierenden digitalen Zahlungsanbietern werden und die eigenen Kund:innen stärker ans eigene Angebot binden. Zusätzlich könnte der digitale Euro Innovationen im Finanzbereich und der Industrie vorantreiben und einen enormen Nutzen für Bürger:innen, Unternehmen sowie Mitgliedsstaaten bieten.

Und wo geht die Reise jetzt hin? 

Klar ist: Nach der Vorbereitungsphase ist noch keine endgültige Entscheidung über den digitalen Euro gefallen. Klar ist wohl auch, dass sich die Akzeptanz in einer Bevölkerung, in der Bargeld noch einen hohen Stellenwert hat, in Grenzen halten dürfte. Aktuell sehen auch noch viele Banken den Implementierungsaufwand im Vergleich zum Nutzen noch als zu hoch an. Dabei scheint die Vorstellung, dass der digitale Euro Kund:innnen im eigenen Finanzökosystem halten kann, (noch) nicht ausreichend zu sein.  

Und selbst, wenn in zwei Jahren eine Entscheidung pro digitaler Euro fällt, dürfte die Implementierung wohl kaum innerhalb eines Jahres zu machen sein. Dennoch denken wir, dass ein digitaler Euro auch für Banken viele Vorteile bietet und empfehlen, sich rechtzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen.  

Was ist deine Meinung zum digitalen Euro? 

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